Die „Haussegenaffäre“ in Hohenberg

An einem Beispiel aus dem Jahre 1931 soll gezeigt werden, wie sich Gauleiter Hans Schemm keine auch noch so kleine Gelegenheit entgehen ließ, um die vermeintliche Religionsfeindlichkeit der Arbeiterparteien – in diesem Falle die SPD – „anzuprangern“ und der Bevölkerung die NSDAP als Bollwerk gegen die „Gottlosigkeit“ zu empfehlen. Es handelt sich um die „Haussegensaffäre“ in Hohenberg.

Mit der reißerischen Schlagzeile „Der Jude Karl Marx-Mardochai, der Gott der Sozialdemokratie. Die scheußlichste Gotteslästerung. Wie man mit Gotteslästerung in Wort und Bild Geschäfte macht“ hatte Schemms Zeitung „Kampf“ am 16. Mai 1931 die Behörden des Bezirksamts (BA) aufgeschreckt.

Was war passiert ? Das Corpus Delicti stellte ein sogenannter Haussegen dar; es handelt sich um ein handgroßes, ovales Bildchen mit dem aufgedruckten Bibelzitat „Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn. Er wird`s wohl machen“. Die sich auf diesem Haussegen befindliche Engelsfigur hatte ein Hohenberger Porzellanarbeiter, zugleich SPD-Stadtrat, mit einem Bildchen von Karl Marx überklebt, so dass man „Befiehl dem Herrn Karl Marx deine Wege….“ usw. lesen konnte. Um sich gegenüber zwei ebenfalls in der Porzellanfabrik Hohenberg arbeitenden Nationalsozialisten eine Stichelei erlauben zu können, hatte ihnen der SPD-Mann den verfremdeten Haussegen zum Kauf angeboten, weitere Bestellungen zum Stückpreis von einer Reichsmark nähme er entgegen. Die beiden Nazis hatten den Haussegen der Gauleitung übersandt. Schemm ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen. Während sich die zuständige Staatsanwaltschaft lange nicht darüber klarwerden konnte, ob es sich überhaupt um ein Delikt, sondern lediglich um groben Unfug, handelte, lautete für Schemm der Tatbestand auf „Gotteslästerung, die ich vor einem letzten Richter nicht verantworten möchte“.

An die Christen beider Konfessionen gewandt ließ der „Kampf“ einige Versatzstücke antisemitischer und antimarxistischer Propaganda Revue passieren:

„Wir hätten es aber nicht für möglich gehalten, daß man den Kampf gegen das Christentum in einer derart höhnisch, zynisch, schmutzigverletzenden Weise führt wie dies durch das Bild bewiesen ist. Nunmehr ist der Marxismus und das sozialdemokratische Führertum restlos entlarvt. Die Maske ist der jüdischen Führerschaft der Sozialdemokratie vom Gesicht gerissen…. Die sozialdemokratische Partei und kommunistische Partei sind Judenschutztruppen auf der ganzen Welt im Kampfe des geldgierigen und geldhungrigen und machtlüsternen kapitalistischen Bank- und Börsenjudentums und die Vernichter deutscher Freiheit, Ehre, Würde, Religiosität und Kultur.“

Obwohl die Affäre in der Öffentlichkeit nicht weiter beachtet wurde, zeigt sie jedoch beispielhaft die Art der pseudochristlichen Propaganda, mit der die NSDAP im Bezirksamt  aufwartete.

Es verwundert nicht, dass die vorgesetzten Behörden ein gerichtliches Vorgehen gegen Schemm nicht für gerechtfertigt hielten, „da dieser lediglich das aufsehenerregende Vorkommnis brandmarken wollte“. Der Hofer Oberstaatsanwalt, der in richtiger Einschätzung des Artikels im „Kampf“ von einem missbräuchlichen und aufreizenden Appell an das religiöse Empfinden sprach und den Artikel seinerseits als groben Unfug einstufte, wurde angewiesen, die Ermittlungen gegen den SPD-Mann weiterzuverfolgen.

StAB K 3 1967 4955, „Kampf“ vom 16.05.1931 und Bericht der Gendarmeriestation Hohenberg vom 26.05.1931 an das BA.

Bald, Albrecht in: Porzellanarbeiterschaft und punktuelle Industrialisierung in Nordostoberfranken; Bayreuther Arbeiten zur Landesgeschichte und Heimatkunde, Bd. 7, S. 166, 167;  Rabenstein, 1991
S. Röder


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter: