Vom Werdegang eines Kinos
Die Filmwirtschaft erfuhr nach dem 1. Weltkrieg in Deutschland einen starken Aufschwung. Auch in Hohenberg gab es Bemühungen, ein Lichtspieltheater zu errichten.
Laut Protokoll vom 21.01.1920 wurde im Magistrat dem Antrag der Herren Fritzsch und Weilmann von Arzberg mit 13 zu 1 Stimme die Genehmigung erteilt, im Gasthof „Zum weißen Lamm“, HsNr. 16, in Hohenberg zusammen mit der Pächterin des Gasthofes, Elisabetha Träger, ein Lichtspiel-Theater einzurichten. Eine bereits im Vorjahr erteilte Zusage an Andreas Nußstein von Marktredwitz wurde zurückgezogen, nachdem Nußstein keine Anstalten machte, sein Vorhaben zu verwirklichen.
Die Stadt versprach sich zusätzliche Einnahmen und beschloss am 28.06.1920 eine Lustbarkeitsabgabe von 8 RM pro Kino-Vorstellung, die der Armenkasse zugutekommen sollte.
Ob das Unternehmen den erhofften Gewinn erbrachte, ist nicht bekannt. Jedenfalls erteilte der Magistrat am 28.06.1921 den Herren Fritz Brunner und Rudolf Stöhr, beide wieder aus Arzberg, den Weiterbetrieb des Kinos, welches sie von Fritzsch und Weilmann übernommen hatten. Wieder einen Monat später hat Hans Hofmann aus Selb den Betrieb übernommen, dessen Zustimmung im Magistrat am 30.Juli 1921 erfolgte. Es hat ganz den Anschein, dass die Bemühungen, ein Kino in Hohenberg zu etablieren, nicht den erhofften Erfolg zeigten. Vier Jahre später, am 4. Mai 1925 wurde dem Christian Burger aus Arzberg die Erlaubnis erteilt, das Lichtspieltheater als sogenanntes Wanderkino zu betreiben.
Erst 1927 hören wir wieder von einem Hohenberger Kino.
An einem Vereinsabend im Jahre 1927 brachte das Pfeifenclub-Mitglied Christian Oechsler den Vorschlag ein, die Möglichkeit eines Filmtheaters ins Auge zu fassen. Den Spielern der Theatergruppe würden dadurch die langen Proben erspart bleiben, der Gesamtbevölkerung würde auch weiterhin genügend gute Unterhaltung geboten.
Der Verein Pfeifenclub, der am 24.09.1909 gegründet wurde, bestand aus 18 jungen Männern. Paragraf I der Satzung lautete: Gesellige Unterhaltung bei einer Pfeife Tabak. Bald wurden die Ziele erweitert: Wanderungen in die heimatlichen Berge, Beschaffung und Einübung dreistimmiger Chöre und Theateraufführungen. Letztere brachten den Verein bald auf ein hohes Niveau, die Einnahmen stiegen laufend. Am 10. Oktober 1927 fand in der „Harmonie“ eine außerordentliche Generalversammlung statt, die die Ansichten und Vorschläge des Mitglieds Oechsler voll billigte, unbewusst der Schwierigkeiten, die sich in den Weg stellen sollten.
Bereits am 9. November 1927 erteilte der Stadtrat der Gesellschaft „Pfeifenclub“ die Konzession zu Filmvorführungen. Voraussetzung war allerdings, dass ein Vorführraum im Saal des Gasthofs zum „Weißen Lamm“ eingebaut und weitere 0rtspolizeiliche Auflagen erfüllt werden. Das Vorhaben bedurfte sicherlich der Überwindung weiterer Widerstände. So stellten am 6.Dezember 1927 die Herren Wunderlich und Co. aus Selb den Antrag zur Errichtung eines weiteren Kinos in Hohenberg, und zwar im Saal der Gastwirtschaft „Krone“ im Mühlweg. Dieses wurde jedoch abgelehnt. Die Durchführung des Planes verzögerte sich über das ganze Jahr 1928. Pfeifenclub-Vorstand Heinrich Kärner und sein Stab hielten allen Anfechtungen stand, bis endlich am 30.März 1929 der erste Film mit dem Titel „Dr. Beselers Verwandlung“ über die Leinwand lief.
Zur Finanzierung der Pfeifenclub-Lichtspiele wurde die Vereinskasse herangezogen. Auch wurden gedruckte Anteilsscheine in Höhe von 5 – 20 RM ausgegeben. Durch Vermittlung des Diplom-Optikers W. Gimpel aus Altenburg/Thür. wurde bei Zeiss-Ikon, Dresden, ein Magister II im Wert von 1500 RM erworben. Das Zubehör erforderte weitere 800 RM. Die musikalische Untermalung der damaligen Stummfilme übernahmen örtliche Musiker. Wenn die Kinovorführungen auch unter denkbar primitiven Verhältnissen stattfanden, so war doch ein großer Teil der damaligen Bevölkerung dankbar für diese neue Möglichkeit der kurzweiligen Unterhaltung. So wie es die Kassenverhältnisse erlaubten, waren weitere Verbesserungen geplant.
Ein Kuriosum: Christian Oechsler wurde 1929 unter Befürwortung des Diplom-Optikers Gimpel zu einem 4-wöchigen Lehrgang für Filmvorführer nach Dresden beordert. Die Abschlussprüfung wurde ihm vom sächsischen Ministerium jedoch nicht gestattet, weil er bayerischer Untertan war. Nach seiner Rückkehr von Dresden fand dann für ihn die Abschlussprüfung in Nürnberg statt.
Für die Umstellung von Stumm- auf Tonfilm-Technik war der bisherige Vorführapparat nicht geeignet; eine neue tonfilmtaugliche Apparatur, Typ Bauer W 7, wurde 1932 mit allem Zubehör für 3450 RM erworben. Dazu kam ein zweiter rauscharmer Lautsprecher. Zur Tilgung der Schulden wurden neue Anteilscheine im Nennwert von 5 – 100 RM mit 5%iger Verzinsung ausgegeben, Rückzahlung durch Verlosung nach 3 Jahren. Der Stadtrat unterstütze mit 200 RM das Unternehmen.
Von 1938 bis 1941 wurde weiter verbessert und modemisiert. Eine zweite Maschine, Typ Ememann II, wurde für 1700 RM angeschafft, um die Pausen während des zeitraubenden Rückspulens zu umgehen.
Das Kino versah man mit bequemen Klappstühlen, der Vorführraum mit Unterstützung von Karl Röder erneuert, der Balkon mit 50 Sitzplätzen ausgebaut, eine neue Spezial-Leinwand aufgezogen, Teppiche und Kokosläufer im Zuschauerraum verlegt. (Kosten ca 4000 RM).
Von 1940 – 1943 erlebte das Kino seinen größten Aufschwung. Ab 1. März 1942 übernahm Karl Röder das Kino. Laut Verordnung der Reichsfilmkammer – Gesetz vom 12.02.1942 – durfte künftig nur eine Privatperson als Kinobesitzer in Erscheinung treten. Die anberaumte Generalversammlung des Pfeifenclubs setzte den Verkaufspreis nach vorheriger amtl. Schätzung auf 7700 RM fest.
Bereits um 1936 hatte Karl Röder den Gasthof „Zum Weißen Lamm“ von den Gebrüder Fritz und Balthasar Weiß, Brauereibesitzer in Arzberg gekauft, die den Gasthof seit 1898 in Besitz hatten und ihn verpachteten. Karl Röder wohnte weiterhin in Schirnding und bewirtschaftete dort den Gasthof „Ruß“. Nach dem tödlichen Motorradunfall seines damaligen Pächters Hans Friedrich Röder (* 1893-1938) zog Karl Röder nach Hohenberg und bewirtschaftete den Gasthof selbst.
In den letzten Kriegstagen im April 1945 wurde das Anwesen mitsamt Kino durch Kriegseinwirkung schwer in Mitleidenschaft gezogen. Ebenso ging das gesamte Vereinsinventar des Pfeifenclubs verloren. Am 19. September 1946 wurde der Verein „Pfeifenclub“ aufgelöst, vorhandene Aktenstücke wurden beim Stadtrat hinterlegt, das Barvermögen unter die Mitglieder aufgeteilt. Dem Stadtrat wurde der Betrag von 1000 RM zur Schaffung einer Turmuhr ausgehändigt, jedes minderjährige Kind von Vereinsmitgliedern erhielt ein Sparkassenbuch mit 50 RM Einlage.
Unter großen Mühen ließ Karl Röder zwischen 1946 und 1949 den Gasthof und auch die Lichtspiele neu erstehen. Am Samstag, den 21. Mai 1949 eröffnete Röder in einer kleinen Feierstunde (unter Mitwirkung der Kapelle Thumser und des Männergesangsvereins) die „Lamm-Lichtspiele“. Durch die Einnahme von Vergnügungssteuer und Notgroschen (10 Pf. Abgabe pro Besucher) erfuhr auch das leere Stadtsäckel eine gute Einnahmequelle.
„Karl Röder begrüßte vor jeder Vorführung, mit Krawatte und im weißen Arbeitsmantel gewandet, von der Bühne herab die Kino-Besucher.“
Karl Röder verstarb am 9. Mai 1953.Das Kino führte nun der neue Besitzer Fritz König (*1917 +1974), verheiratet mit der Tochter Elli von Karl Röder weiter.
Nachdem noch am 18. Januar 1954 der Film „Primanerinnen“ lief, sollte das Kino geschlossen werden.
Vom 16. bis 18. Januar 1954 mussten die Kinobesucher zu Beginn der Abendvorstellung die „Grabrede“ des Inhabers Fritz König zur Kenntnis nehmen, in welcher er die Gründe darlegte, dass er unter dem Druck der Verhältnisse die Vorführmaschinen des Kinos abbauen müsse, um damit im neu erbauten Kino in Schirnding eine neue Existenz aufzubauen. Wie vor den Kopf geschlagen, nahmen die Besucher der Vorstellung ,,Primanerinnen“ diese Worte zur Kenntnis.
Schon lange regte sich auch in Schirnding immer mehr der Gedanke, dort selbst ein Kino zu bauen, um der dortigen Bevölkerung den oft beschwerlichen Weg nach Hohenberg (bzw. Arzberg) zu ersparen. Nach Übereinkunft mit dem Schirndinger Bürgermeisters Heinrich Seltmann übernahm Fritz König am 23.01.1954 das Schirndinger Kino mit seinen Hohenberger Maschinen als Pächter.
Das wollten jedoch die Hohenberger nicht hinnehmen. In der Presse war anfangs 1954 zu lesen:
,,Bürgermeister Landgraf und seine Stadtväter ermöglichen Wiedereröffnung des Lichtspiel-Theaters. Das Hohenberger Kino, über dessen Leinwand am 16. und 17. Januar 1954 der letzte Film „Primanerinnen“ lief, um eine kurze Zeit geschlossen zu bleiben, wird am heutigen Samstag, den 27. März 1954 um 20 Uhr im KinoSaal des Gasthofs „Weißes Lamm“ feierlich wiedereröffnet, wobei der Erfolgsfilm „Im weißen Rössl“ über die Leinwand rollt. Wir wünschen dem Unternehmen auch weiterhin guten Erfolg.“
Der Initiative des Bürgermeisters und des Stadtrats war es zu danken, dass für König ein billiger Kredit zur Beschaffung zweier neuer Vorführmaschinen besorgt werden konnte. Hohenberg hatte wieder ein Kino.
Anm.: Die Kinovorführungen wurden anfangs der 60er Jahre mangels Besucherzahlen aufgelassen. Das Fernsehen trat seinen Siegeszug an.
(nach Unterlagen aus dem Stadtarchiv Hohenberg) Siegfried Röder, 7.11.2012